Eine Motorradsegnung
Mit der grundlegenden Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse in Deutschland im 19. Jahrhundert erhielt auch das Bistum Hildesheim neue Grenzen, die in der Bulle Impensa Romanorum Pontificum von 1824 festgeschrieben wurden; 1834 wurde noch das Herzogtum Braunschweig integriert. Von einigen kleinen Gebietsveränderungen im Laufe der Jahre abgesehen, erstreckt sich das Bistum über den Osten Niedersachsens und den Norden Bremens samt Bremerhaven. Zählte das ausgeprägte Diasporabistum 1870 lediglich 87 000 Katholiken, so stieg diese Zahl bis 1910 auf 210000 und bis 1950 sogar auf 670000. Vor diesem Hintergrund entstanden ab 1890 zahlreiche neue Gemeinden in den industriellen Ballungszentren Hannover, Hamburg-Harburg und Braunschweig, aber auch in den landwirtschaftlich geprägten Regionen wie etwa der Lüneburger Heide. Dabei war es das pastorale Grundanliegen der Hildesheimer Bistumsleitung, möglichst allen Katholiken den Besuch des Gottesdienstes zu ermöglichen: Die Wege zur nächstgelegenen Kirche sollten möglichst kurz sein - was sich allerdings nicht immer und überall realisieren ließ.
Das Foto zeigt ein Motorrad, das im Jahr 1948 durch Bischof Machens in Begleitung von Diözesancaritasdirektor Adalbert Sendker sowie dem bischöflichen Sekretär Heinrich Pachowiak gesegnet wurde. Ein Motorrad leistete wertvolle Dienste bei der seelsorglichen Betreuung der Katholiken in den Dörfern eines Gemeindebezirks: zu Hausbesuchen, Krankenkommunionen oder zum Beichtgespräch, zum Religionsunterricht oder zum Gottesdienst in einer kleinen provisorischen Hauskapelle sowie nicht zuletzt zur Unterstützung.
Der Einsatz von Motorrädern und auch Autos für seelsorgliche Zwecke war in der Hildesheimer Nachkriegs-Diaspora durchaus üblich. Im „Kapellenwagenwerk" fuhren Geistliche sogar mit einem Kleintransporter durch die Lande, auf dessen Ladefläche ein kompletter Altar montiert war, d. h., die „Kirche kam zu den Menschen"; der intensive Bau neuer Kirchen und Kapellen begann im Bistum Hildesheim erst unter Bischof Heinrich Maria Janssen (1958-1982).
Die Aufnahme ist Teil der umfangreichen Fotosammlung des Bistumsarchivs, die der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung steht: Sie kann wichtige Einblicke in das diözesane Geschehen vermitteln.
Text: Dr. Julia Zech, Bistumsarchiv Hildesheim